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Aktuelles

17.11.2013

Urtel OLG Frankfurt, 8. Zivilsenat, vom 31.08.2010, 8 U 31/10


Orientierungssatz

1. An den Nachweis einer genügenden Eingriffseinwilligung sind keine überspannten Anforde-
rungen zu stellen. Schlüssige Angaben des (Zahn-)Arztes zur Einwilligungsaufforderung sind dann
glaubhaft, wenn "einiger Beweis" für ein Aufklärungsgespräch erbracht ist.(Rn.24)

2. Dies ist nicht der Fall, wenn in einem vorformulierten Text nicht maschinenschriftlich ansatz-
weise von irgendwelchen Risiken die Rede ist und das Gesprächsprotokoll weder vom Arzt noch
vom Patienten unterschrieben wurde, obwohl handschriftlich Risiken der Behandlung eingetra-
gen worden sind.(Rn.28)

3. Müssen nach durchgeführten Präparationsmaßnahmen auf einer Kieferseite fünf Zähne des
Patienten wurzelbehandelt werden, so ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 Euro für erlitte-
ne Schmerzen, Beeinträchtigungen und Unannehmlichkeiten angemessen.(Rn.32)

Fundstellen
ZMGR 2012, 335-336 (Gründe)

Verfahrensgang
vorgehend LG Frankfurt, 14. Januar 2010, Az: 2-14 0 69/08
nachgehend BVerfG 1. Senat 2. Kammer, 17. April 2012, Az: 1 BvR 3071/10, Stattgebender Kammerbe-
schluss

Diese Entscheidung wird zitiert
Literaturnachweise
Christoph Kremer, ZMGR 2012, 336-340 (Anmerkung)
Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 14.1.2010 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer
des Landgerichts Frankfurt am Main (2-14 0 69/08) teilweise abgeändert.


Der Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 4.672,29 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent-
punkten über dem Basiszinssatz aus 4.015,13 € seit dem 25.7.2007 und aus weiteren 661,16 €
seit dem 22.2.2008 zu zahlen.





Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.


Auf die Widerklage wird


a) festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, dem Beklagten sämtliche zukünftigen ma-
teriellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus der streitgegenständlichen Be-
handlung entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger
oder sonstige Dritte übergegangen sind;


b) der Kläger verurteilt, an den Beklagten 359,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent-
punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.3.2008 zu zahlen,


Im Übrigen bleibt die Widerklage abgewiesen.


Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

(


Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.


Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 8.371,49 €.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.


1 Der Kläger verlangt Bezahlung zahnärztlicher Leistungen, die er überwiegend von März bis Juni
2006 zur Sanierung verschiedener Zähne im rechten Oberkiefer und im rechten Unterkiefer des
Beklagten erbracht hat (Klageforderung in der Hauptsache: 7.371,49 €).

(

2 Der Beklagte sieht sich wegen behaupteter Aufklärungs- und Behandlungsmängel nicht in der
Zahlungspflicht und erhebt Gegenforderungen auf materiellen (856,36 € Nachbehandlungskos-
ten) und immateriellen Schadensersatz (mind. 7.000 € Schmerzensgeld), die er zur Aufrechnung
gestellt hat und in einem darüber hinausgehenden Teil mit der Widerklage (mindestens 500 €
„Restschmerzensgeld") geltend macht. Der Beklagte verlangt außerdem Feststellung der Scha-
densersatzpflicht. Schließlich machen die Parteien vorgerichtliche Anwaltskosten geltend.


3 Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen
Urteils verwiesen.


4 Das Landgericht hat der Klage in der Hauptsache zum Erfolg verhelfen (lediglich teilweise Zinsen
abgewiesen) und die Widerklage abgewiesen.


5 Das Landgericht stützt seine Entscheidung zum einen auf die schriftlichen und mündlichen Aus-
führungen des Sachverständigen Dr. SVl, angesichts derer der Beklagte den Nachweis einer
Fehlbehandiung, insbesondere einer Fehlpräparation der zu überkronenden Zähne, nicht geführt
habe.





6 Ob der Kläger den Beklagten in der gebotenen Weise auf die mit der Zahnbehandlung einherge-
henden Risiken aufgeklärt hat, könne dahinstehen, weil die Behandlung unter dem Blickwinkel
einer hypothetischen Einwilligung gerechtfertigt sei.


7 Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.


8 Der Berufung des Beklagten rügt, der Sachverständige habe nicht erklärt, dass und warum nach
Präparationsmaßnahmen auf einer (der rechten) Kieferseite gleich fünf Zähne ohne Sorgfalts-
pflichtverstoß wurzelbehandlungsbedürftig wurden, während es einem anderen Zahnarzt gelun-
gen sei, die Sanierung der linken Kieferseite ohne solche Folgen durchzuführen. Jedenfalls habe
das Landgericht versäumt, die vom Sachverständigen getroffenen Befunde unter dem Blickwin-
kel eines Anscheinsbeweises zu würdigen.


9 Der Kläger habe nicht hinreichend vorgetragen, den Beklagten genügend aufgeklärt zu haben.
Der Einwand der hypothetischen Einwilligung greife nicht. Dass der Beklagte später die Sanie-
rung der linken Kieferhälfte in Kenntnis der Probleme rechts (bei einem anderen Zahnarzt) durch-
führen ließ, lasse nicht den Schluss zu, dass der Beklagte auch der Behandlung des Klägers zu-
gestimmt hätte, wenn er die Risiken gekannt hätte.


10 Der Beklagte beantragt,


11 unter Abänderung des angefochtenen Urteils


die Klage abzuweisen und


auf die Widerklage


1) den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten ein angemessenes Schmerzensgeld, zumin-
dest jedoch in Höhe von 500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basis-
zinssatz seit dem 14.6.2006 zu zahlen;


2) den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 661,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Pro-
zentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und


3) festzustellen, dass der Kläger dem Beklagten sämtliche materiellen und immateriellen
Schäden, die aus der fehlerhaften Behandlung entstanden sind oder entstehen werden, zu
ersetzen hat, soweit der Schadensersatzanspruch nicht erloschen ist durch Aufrechnung ge-
gen die Klageforderung.


12 Der Kläger beantragt,


13 die Berufung zurückzuweisen.


14 Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, überwiegend unter Wiederholung und Vertiefung
seines erstinstanzlichen Vorbringens.


15 Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung die Parteien persönlich angehört und die Zeugin
ZI zu den Umständen und Inhalten einer Einwilligungsaufklärung vernommen. Wegen des Er-
gebnisses der Zeugenvernehmung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.8.2010 (Bl. 453




ff verwiesen). Der Berichterstatter des Senats liat über die Angaben der Parteien zu seiner Ge-
dächtnisstütze einen Vermerk (Bi. 463 d.A.) angelegt, der den Parteien mitgeteilt wurde.


II.


16 Klage und Widerklage sind nur zum Teil begründet.


17 Die nicht streitige Honorarforderung des Klägers ist in der Höhe erloschen, in der der Beldie Aufrechnung mit berechtigten Gegenforderungen erklärt hat.


18 Solche Gegenforderungen des Beklagten lassen sich allerdings nicht auf Behandlungsfehler stüt-
zen. Insoweit hat die Berufung keinen Erfolg.


19 Das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr SVl (BI. 252 ff) zeichnet sich dadurch aus,
dass detailliert für jeden Zahn die Behandlungsgeschichte rekapituliert und ausgewertet wird,
wobei das Vorhandensein von (offenkundig nicht zu beanstandenden) Behandlungsunterlagen
des Klägers, Röntgenbildern und Modellen verschiedener Behandlungsstufen dies erleichtert ha-
ben. Der Sachverständige kommt betr. jeden fraglichen Zahn zu dem Schluss, dass er einen Be-
handlungsfehler nicht feststellen könne. Insbesondere hat er den Hauptvorwurf des Beklagten
nicht bestätigt, der Kläger habe beim Präparieren zu viel Zahnhartsubstanz (Dentin) entfernt.
Diesen Schluss hat der Sachverständige im Rahmen seiner eingehenden mündlichen Befragung
vor dem Landgericht am 3.12.2009 (BI. 326 ff) erläutert, bekräftigt und untermauert. Das Land-
gericht konnte und durfte angesichts dessen, bezogen auf jeden einzelnen Zahn, einen Behand-
lungsfehler nicht feststellen.


20 Wie die Berufung im Ansatz zu Recht anführt, fällt es auf, dass sich im Rahmen oder infolge der
Behandlungen des Klägers gleich bei fünf der von ihm behandelten Zähne die Erforderlichkeit
von Wurzelbehandlungen eingestellt hat. Auch dazu ist der Sachverständige Dr. SVl indes schon
gehört worden. Er hat mündlich gegenüber dem Landgericht die Auffälligkeit dieses Umstands
bestätigt, ist aber dennoch nicht zu dem Schluss gelangt, dass in keinem der hier zu beurteilen-
den Einzelfälle ein Behandlungsfehler feststellbar sei. In dem Zusammenhang sieht der Senat
auch die Aussage des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten (S. 5/BI. 256 d.A.). Es
gebe für die Frage, wie viel Hartsubstanz für die Anfertigung einer (neuen) Restauration erforder-
lich ist, keine absoluten Regeln. Es gebe zwar Kriterien, an denen sich ein Zahnarzt orientieren
muss. Diese seien aber von der jeweiligen Einschätzung des Behandlers abhängig, insbesondere,
wenn es - wie hier - um die vollständige Entfernung kariöser Zahnhartsubstanz geht.


21 Auch die von der Berufung herangezogenen Regeln des Anscheinsbeweises greifen nicht, auch
und gerade nicht auf Grund der vom Beklagtenvertreter zitierten Entscheidung des Bundes-
gerichtshofs (Urteil vom 19.1.2010 - VI ZR 33/09 - MDR 2010,1071 betr. einen Brand in einer
Scheune nach Hantieren mit einem Feuerzeug). Denn danach kann im Wege des Anscheinsbe-
weises gegebenenfalls von einem bestimmten eingetretenen Erfolg auf die Ursache geschlos-
sen werden. Dieser Schluss setzt einen typischen Geschehensverlauf voraus. Typizität bedeutet
in diesem Zusammenhang allerdings nur, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss,
dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist. Bereits bei der
Bestimmung des typischen Lebenssachverhalts darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass für an-
dere Ursachen als die, die der Geschädigte vorgetragen hat, keine Anhaltspunkte bestehen.


22 An einer solchen Fallgestaltung fehlt es hier. Auch eine fehlerfreie Präparation kann „typischer-
weise" dazu führen, dass eine Wurzelbehandlung notwendig wird.


23 Die Berufung ist begründet, soweit sie die Rechtmäßigkeit der Behandlungsmaßnahmen im rech-
ten Kieferbereich in Frage stellt.






24 Die prothetische Neuversorgung der rechten Kieferseite ermangelte einer wirksamen Eingriffs-
einwilligung des Beklagten. Denn der Kläger konnte den Nachweis einer genügenden Eingriffs-
aufklärung nicht führen. Zwar sind an diesen Nachweis keine überspannten Anforderungen zu
stellen und einem Arzt können in sich schlüssige Angaben zur Einwilligungsaufklärung durchaus
dann geglaubt werden, wenn „einiger Beweis" für ein Aufklärungsgespräch erbracht ist. Auch
nach diesen Maßgaben verbleiben indes Zweifel, die zu Lasten des Klägers gehen.


25 Der Kläger hat unter Beweisantritt (Zeugin ZI) und gestützt auf ein Besprechungsprotokoll (in
Kopie Bl. 72 d.A., in der Senatsverhandlung im Original vorgelegt) vorgetragen, es sei u.a. über
„Heiß-Kalt-Empfinden, Pulpentrauma mit Wurzelbehandlung" aufgeklärt worden. Es steht außer
Streit, dass es sich insoweit um aufklärungspflichtige Risiken der bevorstehenden Zahnsanierun-
gen handelte. Der Beklagte hat eine mündliche Aufklärung über die geplanten Maßnahmen be-
stätigt, eine Risikoaufklärung aber bestritten.


26 Der Senat hat beide Parteien am 10.8.2010 persönlich angehört. Der Kläger erklärte, keine kon-
krete Erinnerung an den Beklagten zu haben. Typischerweise bespreche er mit den Patienten,
was gemacht werden soll. Diese Besprechung werde protokolliert wie hier (Bl. 72. d.A.). Ein sol-
ches Gespräch werde dann noch mal unmittelbar vor Beginn der Behandlung geführt. Er kläre
immer über eine Heiß-Kalt-Empfindlichkelt, Nervschädigungen, Pulpatrauma und schlimmsten-
falls Wurzelbehandlung auf Bei einem solchen Gespräch führe er selbst oder eine Sprechstun-
dehilfe das Protokoll. Das Protokoll (Bl. 72 d.A.) habe im oberen Teil der ausgefüllten Bereiche
(im Original blaue Schrift) die Sprechstundenhilfe ZI ausgefüllt, im unteren Bereich (im Original
schwarze Schrift) habe er die Eintragungen vorgenommen. Die Sprechstundenhilfe ZI habe so-
dann unterschrieben, mit schwarzer Schrift und deswegen wohl unter Benutzung seines Kugel-
schreibers.


27 Der Beklagte erklärte, der Kläger habe ihn auf eine unangenehme Zeit nach der Präparation vor-
bereitet, in der er wohl Schmerzmittel brauche. Es habe keine Andeutung gegeben, dass nach
der Kronenversorgung noch Schmerzen verbleiben oder gar eine Wurzelbehandlung notwendig
werden würde. Auf die Möglichkeit, es könne zu einer Wurzelbehandlung kommen, sei er über-
haupt nicht hingewiesen worden. Das Protokoll (Bl. 72 d.A.) sei ihm erstmals im Rahmen des
Rechtsstreits zu Kenntnis gelangt. Bei dem Gespräch am Tisch mit dem Kläger sei keine Sprech-
stundenhelferin dabei gewesen. Gespräche auf dem Behandlungsstuhl (während dessen öfter
Sprechstundenhilfen, teilweise auch wechselnd, anwesend gewesen seien) hätten mit solchen
Inhalten nicht stattgefunden.


28 Das Protokoll (Bl. 72 d.A.) zeichnet sich aus Sicht des Senats zunächst dadurch aus, dass es we-
der vom Beklagten noch vom Kläger unterzeichnet ist und im maschinenschriftlich vorformulier-
ten Text nicht ansatzweise von irgendwelchen Risiken die Rede ist, sondern lediglich von mög-
lichen Therapievorschlägen, von voraussichtlich entstehenden Kosten und von Leistungen, die
besprochen worden seien. Unter denjenigen handschriftlichen Eintragungen, welche Risiken be-
schreiben und die vom Kläger stammen, findet sich nicht - was nahe gelegen hätte - die Unter-
schrift des Klägers, sondern die Unterschrift der Zeugin ZI, Die Zeugen ZI soll hingegen nach
Angaben des Klägers die über den Risikoangaben vermerkten Einträge über die bevorstehenden
Leistungen vorgenommen haben, hat dies aber zeugenschaftlich vernommen nicht bestätigt. Sie
gab an, eine weitere Sprechstundenhilfe habe diese Einträge getätigt. Hintergrund sei gewesen,
dass sie selbst - Zeugin ZI - an diesem Tage nur zur Erprobung in der Praxis des Klägers zuge-
gen gewesen sei und eine erfahrene Kollegin das Protokoll geführt habe. Die Zeugin ZI hatte da-
nach für das Gespräch zwischen den Parteien und seine Protokollierung keinerlei Aufgabe und
keinerlei Verantwortung zu tragen. Damit lässt es sich nicht vereinbaren, dass ausgerechnet sie
die einzige vorhandene Unterschrift geleistet hat.


29 „Einigen Beweis" kann der Kläger wegen dieser Auffälligkeiten mit diesem Dokument nicht füh-
ren. Weiteren Beweis hat die Vernehmung der Zeugin ZI auch im Übrigen nicht erbracht. Schon
die auffälligen Unterschiede zwischen ihren Angaben und dem Klägervorbringen wecken Zweifel,
ob die Angaben der Zeugin ZI tragfähig sind. Hinzu kommt, dass die Zeugin ZI nach eigenen




Angaben ihre Unterschrift auf dem Protokoll geleistet haben will, um zu bestätigen, dass die an-
dere Kollegin und der Kläger es ausgefüllt haben. Naheliegend wären Unterschriften der anderen
Kollegin oder des Klägers gewesen. Zu Zweifeln Anlass gibt schließlich auch der Umstand, dass
die im Mutterschutz befindliche Zeugin ZI bekundete, sich an ein vier Jahre zurückliegendes Ge-
schehen in entscheidenden Gesichtspunkten mit hoher Sicherheit zu erinnern, zuvor aber keiner-
lei Rücksprache mit dem Kläger oder Mitarbeitern des Klägers genommen haben will. Denn die
Zeugin war ohne oder zumindest ohne konkrete Benennung eines Beweisthemas geladen wor-
den und gab dennoch schon nach kürzester Einführung beste Erinnerung an das Beweisthema
vor. Hinzu kommt, dass die Zeugin für einen ersten und dann verlegten Vernehmungstermin vor
dem Senat über die Praxisanschrift geladen wurde und in einem Fall die Ladung ausweislich der
Zustellungsurkunde (Bl. 440 d.A.) persönlich übergeben wurde. Hinzu kommt, dass die Zeugin
auch im Mutterschutz Praxisangehörige des Klägers ist. Erfahrungsgemäß tauscht sich eine Zeu-
gin in dieser Lage mit beruflich Nahestehenden über den Streitfall aus, versucht möglicherwei-
se auch gezielt, eine etwaige Erinnerung durch Nachfragen zu stützen, fragt erforderlichenfalls
auch bei den ihr bekannten Beteiligten nach, worum es sich überhaupt handelt. Demgegenüber
will die Zeugin - wie bekundet - nichts dergleichen getan, sondern weder mit „der Kollegin, noch
mit Herrn Dr. A über den vorliegenden Fall gesprochen" haben.


30 Aus dem Gesichtspunkt einer hypothetischen Einwilligung folgt die Rechtsmäßigkeit der Behand-
(' lung ebenfalls nicht. Der Einwand der hypothetischen Einwilligung war erstinstanzlich hilfswei-
se, aber ungenügend erhoben. Sich auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung zu beru-
fen, setzt vielmehr voraus, dass die Behandlerseite zunächst substantiiert darlegt, dass und da-
mit auch warum der Patient bei genügender Aufklärung eingewilligt hätte (vgl. BGH, Urteil vom
27.3.2007 - VI ZR 55/05 - NJW 2007, 2767).


31 Der Kläger hat (Bl. 70 d.A.) lediglich „bestritten", dass der Beklagte im Falle einer ordnungs-
gemäßen Aufklärung nicht eingewilligt hätte und sodann lapidar behauptet, dieser hätte auch
bei ordnungsgemäßer Aufklärung eingewilligt. Der Vortrag im nachterminlichen Schriftsatz vom
9.12.2009 (Bl. 340 ff d.A.) ist inhaltlich dürftig (der Beklagte habe die defekten Kronen zur Ver-
meidung von Kronenkaries beseitigen lassen wollen), weil er lediglich eine nicht dringende Indi-
kation anführt, aber nicht erklärt, warum der Beklagte bei genügender Aufklärung die konkret
anstehenden Maßnahmen hätte vornehmen lassen. Jedenfalls war dieses Vorbringen aber ver-
spätet, weil dem Kläger nur eine Stellungnahme zur Beweisaufnahme (Sachverständigenanhö-
rung) vorbehalten war (Beschluss vom 3.12.2009, Bl. 338 d.A.). Im dem ihm insoweit nachgelas-
senen Schriftsatz hat der Beklagte überdies auf den entsprechenden Vorhalt des Landgerichts
vorgebracht, die linksseitige Behandlung habe er in Kenntnis der Risiken nur vornehmen lassen,
weil der nachbehandelnde Zahnarzt entsprechende Schädigungen als vermeidbar hingestellt
und die linksseitige Behandlung (im Gegensatz zu der rechtsseitigen Behandlung des Klägers)
zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführt wurde, um die weitere Behandlung abbrechen zu
können, wenn sich doch Komplikationen ergäben.


32 Der Kläger ist ersatzverpflichtet, soweit dem Beklagten aufgrund der ungerechtfertigten zahn-
ärztlichen Behandlung Gesundheitsschäden entstanden sind. Das sind vor allem diejenigen im-
materiellen Beeinträchtigungen, die der Beklagte dadurch erlitten hat, dass fünf Zähne wurzel-
behandelt werden mussten, was - wie allgemein und senatsbekannt ist - zahnärztliche Folge-
maßnahmen, Beeinträchtigungen, Schmerzen und Unannehmlichkeiten mit sich bringt, die nach
den in Frage stehenden Behandlungszeiträumen über einige Zeit vom Beklagten hingenommen
werden mussten. Der Senat hält ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 € für angemessen. Für
das verlangte deutlich höhere Schmerzensgeld (7.000 €) bietet der Beklagtenvortrag keine An-
haltspunkte. Ersatzpflichtig ist der Kläger auch für die geltend gemachten Kosten für Nachbe-
handlungen (856,36 €).


33 Die Klagehauptforderung (7.371,49 €) reduziert sich als Folge der Aufrechnung mithin auf
4.015,13 €.


34 Die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten stehen dem Kläger freilich aus dem ungeminder-
ten Wert der Klageforderung zu, weil die Aufrechnungserklärung erst abgegeben wurde, nach-
dem der Kläger grundsätzlich berechtigterweise Rechtsbeistand für die gesamte Klageforderung




suchen durfte. Die mit der Berufung erstmals erhobenen Einwände gegen Berechtigung und Be-
rechnung dieser Kosten (661,16 €) sind bestritten und mithin als verspätet zu behandeln.


35 Die Widerklage ist im Leistungsanspruch zurückzuweisen, weil dem Beklagten aus den zuvor ge-
nannten Gründen keine Gegenansprüche in geltend gemachter Höhe zustehen.


36 Auf die Widerklage ist die begehrte Feststellung allerdings zuzusprechen. Die vom Kläger in der
Zeit vom 14.3.2006 bis 14.6.2006 durchgeführten Präparationsmaßnahmen, in deren Folge fünf
Zähnen des Klägers wurzelbehandelt werden mussten, können ersatzfähige Folgeschäden nach
sich ziehen etwa als vorzeitiger Verlust der wurzelbehandelten Zähne. Nachdem die Behand-
lungsmaßnahmen als solche und auch die Nachbehandlungen längst abgeschlossen sind, ist die
Feststellung auf Zukunftsschäden zu begrenzen, wie der Antrag des Beklagten bei sachgerechter
Betrachtung auch nicht anders zu verstehen ist.


37 Dem Beklagten steht seinerseits als Nebenforderung ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher
Rechtsverfolgungskosten zu, allerdings lediglich aus einem Wert, der sich aus den Nachbehand-
lungskosten und dem berechtigten Schmerzensgeldanspruch ergibt (3.356,36 €), das sind (mit
MWSt. und Postpauschale) 359,50 €.


38 Dem Antrag des Klägers auf Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung war nicht zu entspre-
chen. Der Rechtsstreit ist, wie oben dargelegt, entscheidungsreif. Bemäkelt wird zwar, ein Ver-
merk des Berichterstatters vom 10.8.2010 sei „falsch". Der Gehalt dieser Kritik erschließt sich
angesichts einer in Kopie vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Klägers vom 13.8.2010
allerdings nicht. Anders als der Kläger dort anführt, wurde vom Berichterstatter nicht vermerkt,
der Kläger habe keine besondere Erinnerung an den Beklagten. Vermerkt wurde die Erklärung,
der Kläger habe keine konkrete Erinnerung an den Beklagten (vgl. den Vermerk Bl. 463 d.A.).
Das hat der Kläger gegenüber dem Senat so geäußert und nicht anders hat er dies selbst seiner
eidesstattlichen Versicherung dargestellt.


39 Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 11. Alt. ZPO.


40 Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar (§ 708 Nr. 10 ZPO). Schuldner-
schutzanordnungen unterbleiben (§ 713 ZPO), weil die Voraussetzungen der Revisionszulassung
nicht vorliegen und die Nichtzulassungsbeschwerde nicht stattfindet (§ 26 Nr 8 EGZPO).


41 Der Streitwert folgt aus dem Wert der Klageforderung, dem Wert der bezifferten Widerklage in
der Hauptsache und aus dem Feststellungsinteresse der Widerklage, welches nnit 1.000 € ange-
setzt ist. Die zur Hauptaufrechnung gestellte Forderung des Beklagten und die von beiden Partei-
en geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten bleiben als Nebenforderungen außer Ansatz.